Lerne 4 unverzichtbare Deduktionstechniken
Zusammenfassung:In dieser Lektion werden vier Deduktionstechniken der Aussagenlogik vorgestellt, um die bisher präsentierte rudimentäre Aussagenlogik zu erweitern. Es wird die Annahmeregel und ihre Kombination mit der Monotonie-Regel erläutert, ebenso wie der hypothetische Syllogismus und zwei Wege zur Herleitung dieser Deduktionsregel. Außerdem werden die Äquivalenzen der doppelten Negation und das Kontrapositiv der Implikation erklärt.
Lernziele:
Am Ende dieser Lektion wird der/die Studierende in der Lage sein,
- sich zu erinnern an die Struktur eines Schlusses und einfache Beispiele.
- die Annahmeregel und ihre Beziehung zum Deduktionstheorem zu verstehen.
- den hypothetischen Syllogismus und seine Beziehung zum Modus Ponens zu verstehen.
- das Deduktionstheorem in der Aussagenlogik anzuwenden.
- die Monotonie-Regel zur Ableitung von Ausdrücken anzuwenden.
- die Äquivalenzen der doppelten Negation und des Kontrapositivs der Implikation in der Aussagenlogik zu verstehen.
- die Beweise der Deduktionstechniken zu kennen und sie in der Praxis anwenden zu können.
INHALTSVERZEICHNIS
ANNAHMEREGEL (PRE)
DER HYPOTHETISCHE SYLLOGISMUS (SH)
ÄQUIVALENZEN DER DOPPELTEN NEGATION (DN)
ÄQUIVALENZ DES KONTRAPOSITIVS DER IMPLIKATION (CPI)
Wir haben bereits gesehen, wie die Struktur eines Schlusses aufgebaut ist und einfache Beispiele dazu betrachtet. Nun werden wir dieses Wissen durch das Argumentieren mit vier Deduktionstechniken der Aussagenlogik auf die Probe stellen. Dadurch erkennen wir nicht nur, dass diese Techniken funktionieren, sondern beginnen auch damit, eine gewisse methodische Tiefe einzuführen, die den bisherigen rudimentären Zustand des Aussagenkalküls überwindet.
Wenn \alpha, \beta und \gamma Ausdrücke des Aussagenkalküls sind, dann lassen sich aus den Grundlagen folgende Deduktionstechniken ableiten:
Annahmeregel (Pre)
Die einfachste aller Deduktionsregeln ist die der Annahme. Sie ergibt sich direkt aus der Anwendung des Reziproken des Deduktionstheorems auf den Satz \vdash(\alpha\rightarrow\alpha). Falls das nach einer fremdartigen Sprache klingt, findest du alles, was du wissen musst, hier.
\{\alpha\}\vdash \alpha
In Kombination mit der Monotonie-Regel kannst du damit nützliche Ausdrücke in deine Ableitungen einfügen.
Der Hypothetische Syllogismus (SH)
Der hypothetische Syllogismus, oder die Transitivität der Implikation, ist eine Art Weiterentwicklung des Modus Ponens. Die Formulierung lautet wie folgt:
\{(\alpha\rightarrow\beta), (\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash (\alpha\rightarrow\gamma)
Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese Deduktionsregel herzuleiten. Wir werden gleich zwei davon betrachten.
Wenn wir ausgehend von Ausdrücken argumentieren, lässt sich der folgende Schluss leicht konstruieren:
| (1) | \alpha | ; Prämisse |
| (2) | (\alpha \rightarrow \beta) | ; Prämisse |
| (3) | (\beta\rightarrow \gamma) | ; Prämisse |
| (4) | \beta | ; MP(1,2) |
| (5) | \gamma | ; MP(4,3) |
Daraus folgt \{\alpha,(\alpha\rightarrow\beta),(\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash\gamma
Wendet man schließlich das Deduktionstheorem auf diesen letzten Ausdruck an, ergibt sich:
\{(\alpha\rightarrow\beta),(\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash(\alpha\rightarrow \gamma)
Eine weitere Möglichkeit, diesen Beweis zu führen, besteht darin, von Ableitungen auszugehen und unter Verwendung der Annahme- und Monotonie-Regeln zu arbeiten. Betrachte das folgende Argument auf Grundlage von Ableitungen:
| (1) | \{\alpha, (\alpha\rightarrow \beta), (\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash \alpha | ; Annahme und Monotonie |
| (2) | \{\alpha, (\alpha\rightarrow \beta), (\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash (\alpha\rightarrow \beta) | ; Annahme und Monotonie |
| (3) | \{\alpha, (\alpha\rightarrow \beta), (\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash (\beta\rightarrow\gamma) | ; Annahme und Monotonie |
| (4) | \{\alpha, (\alpha\rightarrow \beta), (\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash \beta | ; MP(1,2) |
| (5) | \{\alpha, (\alpha\rightarrow \beta), (\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash \gamma | ; MP(4,3) |
| (6) | \{(\alpha\rightarrow \beta), (\beta\rightarrow\gamma)\}\vdash (\alpha \rightarrow \gamma) | ; DT(5) |
Du solltest hier beachten, dass beide Beweise identisch sind, nur in unterschiedlichen Stilen dargestellt wurden. In der Praxis kannst du je nach Vorliebe zwischen beiden Stilen wechseln.
Äquivalenzen der Doppelten Negation (DN)
Die Äquivalenzen der doppelten Negation spiegeln die intuitive Vorstellung wider, dass die doppelte Negation einer Aussage gleichwertig zur ursprünglichen Aussage ist. Dies wird symbolisch wie folgt ausgedrückt:
\alpha\dashv\vdash\neg\neg\alpha
Sehen wir uns nun einen Beweis an:
| (1) | \vdash (\neg\neg \alpha \rightarrow (\neg\neg\neg\neg \alpha \rightarrow\neg\neg\alpha)) | ; A1 |
| (2) | \vdash ((\neg\neg\neg\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\alpha)\rightarrow(\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\neg\alpha)) | ; A3 |
| (3) | \vdash ((\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\neg\alpha)\rightarrow(\neg\neg\alpha \rightarrow \alpha)) | ; A3 |
| (4) | \vdash ((\neg\neg\neg\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\alpha)\rightarrow(\neg\neg\alpha \rightarrow \alpha)) | ; HS(2,3) |
| (5) | \{\neg\neg \alpha \} \vdash (\neg\neg\neg\neg \alpha \rightarrow\neg\neg\alpha) | ; RDT(1) |
| (6) | \{\neg\neg \alpha \} \vdash ((\neg\neg\neg\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\alpha)\rightarrow(\neg\neg\alpha \rightarrow \alpha)) | ; Monotonie(4) |
| (7) | \{\neg\neg \alpha \} \vdash (\neg\neg\alpha \rightarrow \alpha) | ; MP(5,6) |
| (8) | \{\neg\neg \alpha \} \vdash \alpha | ; RDT(7) |
Daher gilt\{\neg\neg \alpha \} \vdash \alpha
Um den Beweis in die andere Richtung zu führen, können wir den soeben durchgeführten Beweis durch eine einfache Substitution anpassen, wobei Folgendes entsteht:
\{\neg\neg \neg \alpha \} \vdash \neg \alpha
Und daraus konstruieren wir den Beweis in die andere Richtung:
| (1) | \{\neg\neg \neg \alpha \} \vdash \neg \alpha | ; Was wir gerade bewiesen haben |
| (2) | \vdash(\neg\neg \neg \alpha\rightarrow \neg \alpha) | ; DT(1) |
| (3) | \vdash((\neg\neg \neg \alpha\rightarrow \neg \alpha) \rightarrow(\alpha \rightarrow\neg\neg\alpha)) | ; A3 |
| (4) | \vdash(\alpha \rightarrow\neg\neg\alpha) | ; MP(2,3) |
| (5) | \{\alpha\}\vdash\neg\neg\alpha | ; RDT(4) |
Daher gilt \{\alpha \} \vdash \neg\neg \alpha
Schließlich ergibt sich aus diesen beiden Beweisen, dass \alpha \dashv\vdash \neg\neg \alpha .
Äquivalenz des Kontrapositivs der Implikation (CpI)
Dies entspricht den folgenden Äquivalenzen:
(\alpha \rightarrow \beta) \dashv\vdash (\neg\beta \rightarrow \neg\alpha)
(\neg\alpha\rightarrow\beta)\dashv\vdash (\neg\beta\rightarrow\alpha)
(\alpha\rightarrow\neg\beta) \dashv\vdash (\beta\rightarrow\neg\alpha)
Der Beweis dieser ersten Beziehung erfolgt auf folgende Weise:
Auf einer Seite ergibt sie sich direkt aus dem dritten Axiom
| (1) | \vdash ((\neg\beta\rightarrow \neg\alpha) \rightarrow (\alpha \rightarrow\beta)) | ; A3 |
| (2) | \{(\neg\beta\rightarrow \neg\alpha)\}\vdash (\alpha \rightarrow \beta) | ; RDT(1) |
Daher gilt \{(\neg\beta\rightarrow \neg\alpha)\}\vdash (\alpha \rightarrow \beta)
Und in die andere Richtung lässt sich der Beweis durch folgende Überlegung führen:
| (1) | \neg\neg\alpha \dashv \vdash \alpha | ; DN |
| (2) | \vdash (\neg\neg \alpha \rightarrow \alpha) | ; DT(1) |
| (3) | \neg\neg\beta \dashv \vdash \beta | ; DN |
| (4) | \vdash (\beta \rightarrow \neg\neg \beta) | ; DT(3) |
| (5) | \{(\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg\neg \alpha \rightarrow \alpha) | ; Mon(2) |
| (6) | \{(\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\alpha \rightarrow \beta) | ; Pre |
| (7) | \{(\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg\neg \alpha \rightarrow\beta) | ; HS(5,6) |
| (8) | \{(\alpha \rightarrow \beta)\} \vdash (\beta \rightarrow \neg\neg \beta) | ; Mon(4) |
| (9) | \{(\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg\neg \alpha \rightarrow \neg\neg \beta) | ; HS(7,8) |
| (10) | \vdash (\neg\neg \alpha \rightarrow \neg\neg \beta) \rightarrow (\neg \beta \rightarrow \neg \alpha ) | ; A3 |
| (11) | \{(\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash ((\neg\neg \alpha \rightarrow \neg\neg \beta) \rightarrow (\neg \beta \rightarrow \neg \alpha )) | ; Mon(10) |
| (11) | \{(\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg \beta \rightarrow \neg \alpha ) | ; HS(10;11) |
Daher gilt \{(\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg \beta \rightarrow \neg \alpha )
Daraus folgt aus den beiden vorherigen Überlegungen:
(\alpha \rightarrow \beta) \dashv\vdash (\neg \beta \rightarrow \neg \alpha )
Um die zweite Beziehung zu beweisen, können wir die folgenden zwei Argumentationen durchführen:
| (1) | \beta \dashv\vdash \neg\neg\beta | ; DN |
| (2) | \neg\neg\neg\alpha \dashv\vdash \neg\alpha | ; DN |
| (3) | \vdash (\beta \rightarrow \neg\neg\beta) | ; DT(1) |
| (4) | \vdash (\neg\neg\neg\alpha \rightarrow \neg\alpha) | ; DT(2) |
| (5) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg\alpha \rightarrow \beta) | ; Pre |
| (6) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\beta \rightarrow \neg\neg\beta) | ; Mon(3) |
| (7) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg\neg\neg\alpha \rightarrow \neg\alpha) | ; Mon(4) |
| (8) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\beta) | ; HS(5,6) |
| (9) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg\neg\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\beta) | ; HS(7,8) |
| (10) | \vdash (\neg\neg\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\beta) \rightarrow (\neg\beta \rightarrow \neg\neg\alpha) | ; A3 |
| (11) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash ((\neg\neg\neg\alpha \rightarrow \neg\neg\beta) \rightarrow (\neg\beta \rightarrow \neg\neg\alpha)) | ; Mon(10) |
| (12) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\}\vdash (\neg\beta \rightarrow \neg\neg\alpha) | ; MP(9,11) |
| (13) | \neg\neg \alpha \dashv \vdash \alpha | ; DN |
| (14) | \vdash (\neg\neg \alpha\rightarrow \alpha) | ; DT(13) |
| (15) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\} \vdash (\neg\neg \alpha\rightarrow \alpha) | ; Mon(14) |
| (16) | \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\} \vdash(\neg\beta \rightarrow \alpha) | ; HS(12,15) |
Daher gilt \{(\neg\alpha \rightarrow \beta)\} \vdash(\neg\beta \rightarrow \alpha)
Nun fehlt noch der Beweis in umgekehrter Richtung. Dies können wir durch folgendes Argument durchführen:
| (1) | \alpha \dashv \vdash \neg\neg\alpha | ; DN |
| (2) | \vdash (\alpha \rightarrow \neg\neg\alpha) | ; DT(1) |
| (3) | \{(\neg\beta\rightarrow\alpha)\}\vdash (\neg\beta\rightarrow\alpha) | ; Pre |
| (4) | \{(\neg\beta\rightarrow\alpha)\}\vdash (\alpha \rightarrow \neg\neg\alpha) | ; Mon(2) |
| (5) | \{(\neg\beta\rightarrow\alpha)\}\vdash (\neg\beta\rightarrow\neg\neg\alpha) | ; HS(3,4) |
| (6) | \vdash (\neg\beta\rightarrow\neg\neg\alpha)\rightarrow (\neg\alpha \rightarrow \beta) | ; A3 |
| (7) | \{(\neg\beta\rightarrow\alpha)\}\vdash ((\neg\beta\rightarrow\neg\neg\alpha)\rightarrow (\neg\alpha \rightarrow \beta)) | ; Mon(6) |
| (8) | \{(\neg\beta\rightarrow\alpha)\}\vdash (\neg\alpha \rightarrow \beta) | ; MP(5,7) |
Daher gilt \{(\neg\beta\rightarrow\alpha)\}\vdash (\neg\alpha \rightarrow \beta)
Schließlich ergibt sich aus diesen beiden Argumenten, dass (\neg\beta\rightarrow\alpha) \dashv \vdash (\neg\alpha \rightarrow \beta) , was zu zeigen war.
Die letzte Äquivalenz bleibt als Übung. Um sie zu beweisen, kannst du dich an den beiden bereits gegebenen Beweisen orientieren. Dies ist der beste Weg, um die Deduktionstechniken zu meistern.
